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Sendetag: 24.03.2004, 20.15 Uhr
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Bernard Raymond von Bredow
Mammut-Forscher im Gespräch mit Ellen Norten
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Norten:
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Herzlich willkommen beim Alpha-Forum. Unser heutiger Studiogast ist Bernard von Bredow. Herr von Bredow schaut in die Vergangenheit, genauer gesagt schaut er sich die letzten 1,5 Millionen Jahre der Erdgeschichte an. Er ist experimenteller Archäologe und leitet das "Mammutheum", das ist ein Steinzeitpark bei Siegsdorf in Oberbayern. Sie haben bereits im Alter von 16 Jahren ein Mammutskelett ausgegraben. Dies auch dort in der Nähe von Siegsdorf. Wie haben Sie das gemacht? Ich wüsste z. B. gar nicht, wo ich da suchen sollte.
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Bredow:
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Nun, wer suchet der findet. Aber man findet ja nicht immer das, was man sucht. Und so war das damals bei mir auch: Ich wollte eigentlich einen Goldschatz finden. Aber ich fand keinen, sondern einen alten Knochen. Das Interessante war daran jedoch, dass ich aufgrund meines Elternhauses bereits genügend Informationen hatte, um mit diesem Knochen etwas anfangen zu können. Ich muss zugegen, dass wahrscheinlich 99 Prozent aller Menschen nichts mit diesem Knochen hätten anfangen können, wenn sie über ihn gestolpert wären.
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Norten:
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Woher wussten Sie denn, was es mit diesem Knochen auf sich hat?
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Bredow:
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Es gab da ja mal einen wunderschönen Film, der das dokumentiert hat. Man muss sich jedenfalls eine tiefe, düstere Schlucht in den bayerischen Alpen vorstellen, wo sich ein Rinnsal durch die Geologie der letzten 20000, 30000 Jahre gefressen hat und einen alten Tümpel freigelegt hat. Genau in diesem besagten Sommer ist wohl genügend Wasser durch diesen Tümpel geflossen, sodass genau dieser Knochen aus einer Lehmschicht rausstakte, die unter einem Kiesbett lag. Als damals noch 16-Jähriger habe ich sofort kombiniert: Kiesbett? Alt? Lehmschicht noch älter? Knochen uralt! Knochen riesengroß? Einen Meter und vierzig Zentimeter? Kann nicht von einem Nashorn stammen, muss vom Mammut sein! Ab nach Hause! Spaten holen!
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Norten:
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Und dann haben Sie weiter gegraben und haben auch mehr gefunden.
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Bredow:
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Nun ja, nach 20 Zentimetern kam die Wirbelsäule und dann kam die Wirbelsäule im Zusammenhang und noch mehr. Und dann änderte sich auch die Farbe des Bachbettes. Und dann kamen eben auch diese ganzen Gedanken auf, die man mit 16 Jahren hat. Man erinnert sich z. B. an das Buch "Tom Sawyer und Huckleberry Finn" und überlegt angestrengt: "Wie verschweige ich das, was ich gefunden habe?" Und dann ging eben diese Story los. Wir haben den Werkzeugkasten meines Vaters geplündert, aus dem Gartenhäuschen die Schaufeln geholt und dann eine kleine Seilbahn gebaut. Plötzlich hatten wir dann auch eine schrecklich ansteckende Krankheit und konnten unmöglich in die Schule gehen. Ich glaube, diese Krankheit nannte sich "Mammugitis". Sie war höchst ansteckend. Mein Lehrer weiß wohl bis heute nicht, was "Mammugitis" ist, weil wir ihm nichts verraten haben. Wir haben es damals jedenfalls innerhalb von vier Wochen geschafft, dieses Mammutskelett weitgehend freizulegen. Das Skelett und wir waren nach einiger Zeit in der Einheitsfarbe Grau unterwegs: Wir trugen den Schlamm bis unter die Unterhose! Und was macht man dann mit einem halben Mammut? Denn der Rest steckte noch im Berg. Wer in einem Berg gräbt, der weiß, dass man, je tiefer man hineinbuddelt, umso mehr von oben abtragen muss. Und das war zumindest zu dieser Zeit für uns technisch nicht mehr drin.
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Norten:
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Das heißt, Sie haben dann Ihre Arbeit zuerst einmal unterbrochen und dieses halbe Mammut in die Garage gestellt.
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Bredow:
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Nein, in die Garage nicht, sondern in das Atelier meiner Mutter. Und da lag er nun und roch vor sich hin. Man muss dazusagen, dass diese Knochen tatsächlich noch einen Eigengeruch hatten, was phänomenal war und was auch für die Konservierung dort an dieser Fundstelle, also für den Lehm dort spricht. Es war schon ein ganz, ganz seltsames Gefühl, ein Tier zu riechen, das vor über 40000 Jahren gestorben ist und seit dieser Zeit auch sonst nicht mehr existiert.
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Norten:
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Ist dieser Fund dann später auch datiert worden, sodass man sagen konnte, er ist wirklich so alt?
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Bredow:
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Fragen Sie mich bitte nicht nach der Datierung, denn da habe ich meine eigenen Recherchen gemacht. Ich bin absolut nicht der Meinung, dass diese Mammut aus dieser Zeit der Früh-Würm-Periode vor 40000 bis 45000 Jahren stammt. Sowohl von der Morphologie her, als auch von den Artefakten an dieser Fundstelle her, die dann später zum Vorschein gekommen sind, bin ich der Meinung, dass bei diesem Mammut ein ganz anderes Alter anzusetzen ist, nämlich ein früheres.
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Norten:
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Es gibt heute ja keine Mammuts mehr. Vielleicht könnten Sie uns ein wenig erzählen, wie die Mammuts eigentlich gelebt haben und wie sie aussahen. Sie haben uns dafür ja auch etwas mitgebracht, nämlich Mammuthaare.
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Bredow:
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Diese Haare, die ich da mitgebracht habe, sind noch feucht, obwohl sie 25000 Jahre alt sind. Hier sieht man z. B. die Unterwolle: ganz feine Härchen und lange, abgebrochene Behaarung. Das Mammut war also, wie man sagen kann, ein Elefant mit Pelz. Er war wirklich ein Winterelefant. Das Mammut, von dem diese Haare stammen, ist aus Taimyr: Diese Haare waren bis vor zehn Minuten noch eingefroren.
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Norten:
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Das ist also nicht von dem Mammut, das Sie gefunden haben.
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Bredow:
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Außerhalb des Dauerfrostbodens gibt es keine Chance, dass sich solche Haare erhalten. Die Kapillaren im Lehm sind aber in anderer Hinsicht toll. Denn das Phänomenale an dem Fund in Siegsdorf war ja nicht eigentlich das Mammut, sondern das waren drei Krallen von einem Höhlenlöwen. So etwas dürfte es eigentlich nicht geben. Das war wirklich die absolute Sensation an dieser Fundstelle, und nicht dieses riesige Mammut: Nein, die Sensation war diese Konservierungsqualität des Lehms. Das ist für DNA-Wissenschaftler natürlich hoch interessant. Aber das wäre jetzt wieder ein anderes Thema.
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Norten:
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Das heißt aber doch immerhin, dass auch hier in Bayern Mammuts gelebt haben. Denn sonst hätten Sie dort so ein Mammut ja nicht finden können.
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Bredow:
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Das müssen Sie sich so vorstellen: Wenn man 8500 Kilogramm schwer ist, viereinhalb Meter hoch ist und eine Schrittweite von 1,6 Meter hat, dann ist man ganz schnell mal in Bayern oder in Schwaben oder auch in Südfrankreich. Wenn man also sagt, dass in ganz Mitteleuropa Mammuts gelebt haben, dann ist das richtig. Aber das Mammut zieht sich darüber hinaus ja bis nach Nordamerika, bis nach Mexiko. Das heißt, das war ein glazialer Elefant mit einer langen Behaarung von bis zu einem Meter, der unendliche Mengen an Gras täglich vertilgen musste. Dass bedeutete aber auch, dass er eine Umwelt haben musste, ein Futterreservoir, das es in dieser Form heute nicht mehr gibt, weil ganz einfach die Bedingungen für so eine Krautsteppenlandschaft, wie es sie im Pleistozän gegeben hat, nicht mehr da sind.
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Norten:
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Sehen Sie darin den Grund für das Aussterben des Mammuts?
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Bredow:
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Das Mammut hat sich nur deshalb mit Milliarden von Tieren so stark verbreiten können, weil damals ganz einfach diese spezifischen Nahrungsgrundlagen bzw. -quellen vorhanden waren. Nach der Eiszeit, und die letzte Eiszeit ist ja im Gegensatz zu den eher gleitenden Übergängen der vorhergehenden Eiszeiten sehr abrupt zu Ende gegangen, hat das Mammut sehr stark unter dieser raschen klimatischen Veränderung gelitten. Aber selbstverständlich hat dann auch der Mensch noch dazu beigetragen: In Nordamerika haben z. B. Paläo-Indianer das Mammut sehr stark bejagt. Das waren damals die so genannte Clovis-Leute.
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Norten:
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Wann haben denn Ihrer Meinung nach die letzten Mammuts gelebt?
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Bredow:
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Meiner Meinung nach kann das noch nicht so lange her gewesen sein. Es gibt da Funde auf einem kleinen Inselarchipel in Nordostsibirien oberhalb von Taimyr und gegenüber von Alaska: Die dortigen russischen Wissenschaftler, die diese Knochen gefunden und untersucht haben, datieren sie auf 3000 Jahren vor Christus. Ich habe jetzt sogar eine Datierung erhalten, die von 2500 Jahren vor Christus ausgeht. Das heißt, zur Zeit Tutenchamuns haben dort auf dieser Insel in Nordostsibirien noch Mammuts existiert. Sie hätten also fast bis in das nächste Glazial hinein die Chance gehabt zu überleben. Denn irgendwann kommt ja ganz sicher wieder so ein Glazial – wenn wir es aufgrund unseres Verhaltens nicht zu verhindern wissen.
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Norten:
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Sie haben zwar an vielen Expeditionen teilgenommen, aber Sie haben uns soeben schon erzählt, dass Sie ja bereits als 16-Jähriger selbst eine Hälfte eines Mammuts ausgegraben haben. Was passierte denn mit der anderen Hälfte? Denn mittlerweile ist diese zweite Hälfte ja auch an die Oberfläche gekommen.
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Bredow:
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Die steckte erst einmal weitere zehn Jahre im Bachbett drinnen und ich steckte woanders, nämlich auf der anderen Seite des Erdballs, weil ich dort studierte. Ich kam dann nach Siegsdorf zurück und stellte fest, dass dieses Mammut akkurat auf Gemeindegrund gestorben war: Aufgrund dessen hat es die Möglichkeit gegeben, sich mit der Gemeinde zu einigen und dieses Projekt weiter zu betreiben. Die Gemeinde hat sich anfangs auch sehr schön engagiert, damit wir das herausholen können. Das lag ja auch immerhin auf ihrem Areal und stellt doch auch einen Teil der Geschichte Bayerns dar. Es ist eines der schönsten Mammute, die wir in Deutschland überhaupt haben. Ich kenne im Hinblick auf die Güte gar nichts Vergleichbares. Und mittlerweile gibt es in Siegsdorf ja auch ein Museum dafür. Parallel dazu habe ich selbst schon viel früher das Mammutheum gegründet: Ich habe dabei so ein bisschen den Vorreiter gespielt für die Siegsdorfer Kulturlandschaft, die jetzt natürlich viel mit Geologie und Pleistozän zu tun hat.
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Norten:
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Sie haben aus Ihrem Mammutheum, auf das wir gleich noch zu sprechen kommen, auch einige Stücke mitgebracht. Unter anderem liegt hier ein riesiger Knochen zu unseren Füßen. Ich nehme mal an, dass er von einem Mammut stammt. Das ist aber doch ein Nachbau, oder?
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Bredow:
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Das ist ein Abdruck. Wissen Sie, das ist so: Diese Dinger sind sehr schwer. Hier haben wir also ein Schienbein des Siegsdorfer Mammuts. Das war einer meiner ersten Abdrücke, den ich mir dann als Referenz auch gleich behalten haben. Dieser Abdruck hat das Format eins zu eins, die Oberfläche ist genau entsprechend der Oberfläche des Originals. Mit solchen Abdrücken kann man natürlich sehr schön Skelette montieren. Dass ich das kann, hat mich dann auch international ziemlich nach vorne gebracht. Ich habe da Sachen entwickelt, richtiggehende Patente entwickelt, mit deren Hilfe man Großskelette ohne Stützelemente aufbauen kann. Das ist im Prinzip so angelegt wie diese kleinen Jahrmarktfigürchen: Wenn man unten in den Sockel hineindrückt, dann kollabiert meinetwegen so eine Giraffe und wenn man loslässt, dann steht sie wieder auf. Wir haben also mit Stahlseilen quasi die innere Statik reproduziert. Das geht aber nur, wenn man diese Abgusstechniken hat. Das ist freilich eine wahnsinnige Arbeit. Ein Normalbürger muss sich ja nur einmal vorstellen, wie viel Aufwand betrieben werden muss, wenn er sich beim Zahnarzt lediglich einen Kieferabdruck machen lässt. Hier jedoch herrschen ganz andere Dimensionen: Hier werden Tonnen an Abgussmaterial verarbeitet. Ich habe auch mal so eine Abgussform mitgebracht, damit man mal sehen kann, wie das aussieht. Es ist uns jedenfalls gelungen, ein völlig freistehendes und ohne Stützelemente existierendes großes Mammut aufzubauen. Das ist schon eine tolle Sache und das habe ich jetzt auch auf alle anderen Skelette, die bei mir im Park sind, übertragen. Auch in anderen Ländern der Welt habe ich bereits solche Rekonstruktionen gemacht.
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Norten:
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Neben diesem Knochen hier sehen wir etwas, von dem ich denke, dass das ein Stoßzahn aus Elfenbein ist. Ist der echt? Stammt der wirklich von einem Mammut?
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Bredow:
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Das ist die Standardfrage, die mir alle Besucher stellen: "Ist das echt?" Und das ist auch das, was mich die Kinder immer fragen. Sie wollen nämlich wirklich Echtes sehen. Ich kann mir also ganz bestimmt keine falschen Sachen leisten. Ja, dieses Mammutelfenbeinstück ist ebenfalls aus Taimyr. Es wiegt ungefähr 19 Kilo. Genauer gesagt ist das ein Stoßzahnsegment von einem ungefähr 3,60 Meter langen Stoßzahn, der ungefähr 100 Kilogramm gewogen hat. Es ist einfach üblich Stoßzähne in Stücke zu zerschneiden und sie auf dem Elfenbeinmarkt anzubieten. Denn nach dem Artenschutzabkommen von Lausanne ist es ja zwischenzeitlich verboten, zur Elfenbeingewinnung Elefanten zu “benützen”. Dort in Sibirien liegt noch ungefähr eine Milliarde Tonnen Mammutelfenbein im Eis herum – das wird aber auch in den nächsten 200000 oder 300000 Jahren noch so herumliegen.
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Norten:
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Was kostet das, wenn man das kaufen würde?
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Bredow:
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Ich weiß nicht, ob es für Sie interessant wäre, das “roh” zu kaufen. Wichtig ist hierbei jedenfalls, dass das Elfenbein über die Lagerung so weit ausgetrocknet ist, dass es bei der Verarbeitung nicht mehr reißt. Der Preis kann ganz unterschiedlich sein. Preise in diesem Bereich kann ich also gar nicht nennen, denn das können ein paar Hundert Dollar sein, das kann aber auch viel mehr sein, wenn es vollkommen ausgetrocknetes Elfenbein ist und wenn es sich um höchste Qualität handelt. Denn Elfenbein ist ja ein Verwitterungsprodukt, das entweder an der Oberfläche einer Eisschicht liegt oder gerade beim Abbrechen irgendeiner Eiskante irgendwo in Sibirien an die Oberfläche kommt und so komplett und in bestem Zustand gefunden werden kann. Das ist allerdings eher die seltenere Variante.
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Norten:
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Das sind jedenfalls alles Dinge, die in ihrem Mammutheum stehen. Das ist ein steinzeitlicher Freizeitpark. Vielleicht erzählen Sie doch mal, wie Sie überhaupt auf die Idee gekommen sind, so etwas zu gründen und wie es dort aussieht.
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Bredow:
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Der größte Luxus besteht ja darin, sich seine Kindheit bewahren zu können, also weiter spielen zu können. Das geht natürlich nicht immer und man muss schon sehr professionell sein, um sich das erlauben zu können. Ich habe diesen Steinzeitpark der experimentellen Archäologie deshalb gegründet, weil ich in der bestehenden Museumslandschaft immer etwas vermisst habe. Diese Museumslandschaft habe ich weltweit sehr gut kennen lernen dürfen, weil mein Vater im Auswärtigen Amt tätig gewesen ist und mich daher immer in ein Museum gesteckt hat, wenn er mal etwas zu tun hatte und er mich erst um fünf Uhr wieder abholen konnte – egal, ob das in Mexiko oder sonst wo gewesen ist. Ich habe mir also gedacht: Was hast du denn damals eigentlich immer vermisst? Ich habe es vermisst, dass man diese Dinge erstens nicht anfassen durfte, dass man damit zweitens nicht herumspielen durfte und dass man sich drittens nicht dreckig machen durfte. Das war für mich als Kind eine mittlere Katastrophe. Also wollte ich mal einen Park machen, in dem man Dinge anfassen kann, riechen kann, erfahren kann, in dem man also genau diese archaischen Sachen machen kann, die die Kinder noch viel, viel mehr in sich spüren als wir Erwachsene, die im Laufe ihres Lebens ja immer weiter denaturiert worden sind. Denn man wird ja tatsächlich immer weiter denaturiert, je mehr man mit der technologisch-technokratischen Gesellschaft konfrontiert wird. Ich wollte also etwas machen, bei dem man das alles ein bisschen nachvollziehen kann. Das war und ist Sinn und Zweck des Mammutheums. Das heißt, das ist ein Steinzeitpark zum Anfassen. Vom “handling” her ist das natürlich wahnsinnig schwierig, denn es gibt ja solche und solche Kinder. Die Kleinen wollen etwas kaputt machen und dann gibt es andererseits auch ganz brave Kinder, die nur staunen. Man muss also ständig am Ball bleiben. Bei uns kann man daher die Dinge streichelnd anfassen, ich mache auch Pigmente, bei denen die Kinder so schmutzig werden, dass man sie gar nicht mehr wiedererkennt.
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Norten:
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Das freut dann die Eltern.
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Bredow:
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Das freut sie, genau. Aber es gibt ja auch die Möglichkeit, die Kinder wieder zu säubern, denn das ist ja alles abwaschbar. Aber das macht wirklich mordsmäßig viel Spaß.
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Norten:
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Sie haben vorhin diese riesigen Modelle erwähnt, die Sie ausstellen und die Sie sogar bewegen können. Das heißt, die Kinder können das alles anfassen und befühlen, wie groß oder klein etwas ist.
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Bredow:
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Gut, das ist eben der Eiertanz. Wir haben auf der einen Seite Originale, die wahnsinnig wertvoll sind wie den Höhlenlöwen usw. Trotzdem kann man aber auch da hautnah hin. Aber die Kinder spüren das, dass man das nun gerade nicht anfassen darf. Ich habe in diesen 15 Jahren noch keine Schäden diesbezüglich erlebt. Andererseits habe ich aber auch Sachen, die man sehr wohl anfassen kann. So etwas wie dieses Elfenbein hier geht nicht kaputt. Das kann man hochheben und wenn es sogar mal runterplumpst, dann ist es auch nicht so schlimm, denn dann ist eher meine Fließe in der Galerie kaputt als der Stoßzahn. Man muss also sehr wohl zuweisen, was die Kinder dürfen und was sie nicht dürfen. Das geht aber sehr gut: Das geht wesentlich besser, als man glaubt.
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Norten:
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Sie bieten aber auch ganz konkret Kurse an für die Kinder. Sie können dort nämlich auch etwas machen. Sie können backen oder sie können auch mit Pfeil und Bogen schießen. Was gibt es da alles?
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Bredow:
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Ich muss hier zunächst einmal eine Sache klarstellen: Bei mir kann man, wenn man offiziell und normal über das Gelände läuft, weder rumballern noch sonst etwas machen. Das wäre ja auch fatal. Aber es ist in der Tat so: Später dann, wenn jemand verstärktes Interesse hat und sein Kind z. B. zum Bogenbau anmeldet, schaue ich mir diese Leute schon ganz genau an. Ich nehme jedoch nie die Kinder in solche Kurse, sondern immer nur die Erwachsenen, die Eltern: Der Papa soll mit seinem Sohn den Bogenkurs machen! Dann ist nämlich auch der Dialog zwischen Papa und Sohn gewährleistet. Und dann können die beiden zusammen spielen. Das ist eigentlich die Museumspädagogik, die dahinter steckt. Wichtig ist, dass man den direkten Anspruch auf die Eltern überträgt und nicht auf die Kinder. Denn ich kann ja auch gar nicht mit diesen vielen Kindern auf diese Weise direkt verhandeln, wenn sie meinetwegen doch nicht wollen oder etwas anderes machen wollen. Da wäre ich ja Papa für Tausende von Kindern. Ich habe jetzt über eine Million Menschen im Dialog betreut. Das ist viel, das ist...
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Norten:
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Wie viele Jahre betreiben Sie schon Ihr Mammutheum?
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Bredow:
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Ich habe das jetzt 15 Jahre, aber ich habe bereits davor Landesausstellungen in England, in Frankreich oder eine Tournee durch Deutschland gemacht und dabei diese Ausstellungen alle betreut.
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Norten:
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Sie sind aber auch im Bereich der Präparation führend. Genau dazu haben Sie uns ebenfalls etwas mitgebracht, denn Sie hatten uns ja schon gesagt, dass in Ihrem Mammutheum nicht nur und ausschließlich Originale ausgestellt werden, sondern Sie bestimmte Dinge auch nachbauen wie z. B. diesen Knochen, von dem wir vorhin bereits gesprochen haben. Sie können mir z. B. sicher erklären, was das nun ist, das ich hier in der Hand habe. Ich kann mir da leider nur relativ wenig vorstellen.
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Bredow:
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Es war eines Tages mal so, dass ich ein paar Kisten bekommen habe: Das war ein ganzer Sattelschlepper voll! In diesen Kisten waren lauter Einzelknochen. Mein Sohn meinte damals zu mir: "Du Papa, das ist aber ein Riesenpuzzle!" Ja, das war in der Tat ein Riesenpuzzle. Das Problem bei diesem Puzzle war, dass dieses Puzzle aus einer ganzen Herde von Mammuten bestand, deren Knochen sich in einem absolut bröseligen Zustand befanden. (Herr Bredow zerstäubt zwischen seinen Fingern einen kleinen Brocken.)
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Norten:
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Sind das jetzt Mammutkrümel, was Sie hier produzieren?
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Bredow:
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Das ist in der Tat Knochenstaub. Wenn man aus 7000 Einzelknochen das alles aufbauen soll und die Knochen aber in so einem Zustand sind, dann hat man ein dickes Problem. Also musste ich mir etwas einfallen lassen, sonst wäre das nicht gegangen.
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Norten:
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Und Sie haben sich dann etwas einfallen lassen.
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Bredow:
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Genau. Wir haben dann erneut diese "zahntechnischen" Abdrücke gemacht. Dazu mussten wir all die Knochen aber erst einmal so weit stabilisieren, dass man sie dieser Prozedur auch unterziehen kann. Das heißt, wir haben ein Härtungssystem der künstlichen Versteinerung entwickelt, um diese Knochen so weit zu stabilisieren, dass man sie dann mit Bienenwachshorizonten so mit Silikonkautschuk ummanteln kann, dass wie beim Zahnarzt diese Silikonformen entstehen. Jeder, der schon mal einen Zahnersatz gebraucht hat, weiß ja, was alleine bei so einem kleinen menschlichen Zahn für eine Rechnung entsteht. Wir haben hier jedoch gleich tonnenweise zahntechnisches Silikon verarbeitet. Dieses Material ummantelt dann im Prinzip diesen stabilisierten Knochen. Wichtig ist nur, dass man bei diesen Hartschalen – das ist nämlich eine alte Technik – etwas entwickelt, das nicht zu giftig ist. Wir haben da etwas Schönes gemacht, wir haben nämlich Superhartgips, der mit Gewebe verstärkt wurde, genommen, um nicht Kunststoffe hernehmen zu müssen. Wenn man nämlich tonnenweise mit Kunststoffen hantieren würde, dann bliebe man nicht gesund.
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Norten:
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Rekonstruieren Sie auch für andere Museen? Oder machen Sie das alles nur für den Eigenbedarf?
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Bredow:
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Ich habe für Stockholm und für Wales gearbeitet. In den Anfängen habe ich das auch ganz gerne gemacht, aber man kommt dann im Laufe der Zeit immer mehr in die Rolle des Beraters hinein. Das ist auch ganz richtig so: Man kann einfach nicht die ganzen Skelette dieses Planeten rekonstruieren. Selbst wenn ich 100000 Jahre alt werden würde, würde ich damit nicht fertig werden. Man kann aber sehr wohl diese Technologie an Leute weitervermitteln, die daran ein Interesse haben. Und genau das mache ich jetzt schon seit vielen Jahren. Ich bin auch gerne bereit, diesen Menschen zu helfen. Nur, man darf von mir nicht mehr erwarten, dass ich sofort helfe, wenn man mit einem bröseligen Stoßzahn aus der Kiesgrube zu mir kommt, wie ich das neulich hatte. Man darf nicht erwarten, dass ich das dann aus 100000 Einzeldingern zusammenklebe. So etwas mache ich nicht mehr, denn das ist eine sehr undankbare Aufgabe. Beratend bin ich aber schon noch tätig. Früher habe ich jedoch sehr viel in dieser Richtung gearbeitet.
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Norten:
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Aber Sie wollen natürlich auch Ihre Gäste motivieren, die Kinder, die mit ihren Eltern zu Ihnen kommen. Wie ist das denn? Könnte man denn heutzutage auch immer noch als Kind im Wald einen Mammutknochen finden? Ist so etwas immer noch möglich?
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Bredow:
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Statistisch ist natürlich alles möglich. Es kann schon sein, dass da irgendwo in einem Bachbett, wenn sich da etwas durchgräbt, auf einmal wieder so ein Knöchelchen an die Oberfläche kommt. Ich gehe aber davon aus, dass es immer weniger Kinder geben wird, die das Privileg haben, das ich in meiner Kindheit hatte, dass sie nämlich die Daten, die da rüberkommen, dass sie das Bild, das sie dadurch erhalten, auch wirklich richtig analysieren und dann eine entsprechende Handlung unternehmen können. Wissen Sie, wenn Sie auf dem Dachboden einen Farbkasten von Vincent van Gogh finden, dann können Sie damit zwar malen, aber Sie sind dennoch kein van Gogh. Es ist nämlich irrsinnig schwierig, so eine Sache dann auch wirklich analytisch zu durchdringen. Diese Dinger stehen ja nicht irgendwo fertig zusammenmontiert im Hügel drinnen, sodass man nur dagegen klopfen bräuchte, um das fertige Skelett zu erhalten. Nein, das sind manchmal nur Indizien, die dann zuerst einmal interpretiert werden müssen. Da trennen sich dann wirklich die Wege, denn dafür muss man Spezialist sein.
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Norten:
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Aber das, was Sie als experimentelle Archäologie in Ihrem Mammutheum bezeichnen, soll ja irgendwie schon auch eine Motivation für Ihre Gäste sein. Ich könnte mir vorstellen, dass ich als Kind, wenn ich das alles gehört und gesehen hätte, sofort losgegangen wäre und geschaut hätte, ob ich nicht auch irgendwo so einen Knochen finde. Ist es überhaupt ratsam, dass Kinder heute so etwas tun? Oder ist es nicht doch auch gefährlich, jetzt einfach so in den Wald zu gehen und zu graben?
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Bredow:
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Es gibt sicherlich Gegenden, in denen das ungefährlich ist, aber in Deutschland ist das sowieso gefährlich. Das hat den einfachen Grund, dass wir eine sehr bewegte Geschichte haben: Aus diesem Grund liegt in unseren Wäldern jede Menge Fundmunition herum, sodass ich den Eltern auf keinen Fall den Rat geben kann, ihre Kinder irgendwo alleine im Wald graben zu lassen. Sie glauben ja gar nicht, was da alles zum Vorschein kommen kann. Wenn man es aber verbietet, dann ist das natürlich erst recht schlecht, weil das dann heimlich gemacht wird von den Kindern. Das ist also auch nicht gut. Es gibt ja auch so kleine Löcher oder Tunnel, in die selbst meine Kinder bereits hineingekrochen sind. Das ist wirklich phänomenal, denn einmal musste ich einen meiner Buben sogar rausziehen, weil er festhing. Die Kinder fangen also immer an zu wühlen, da kann man sich sicher sein. Sie wühlen sich bis in die tiefsten Gräben und Löcher hinein, wenn sie mal ein bisschen Erfolg damit hatten. Ich empfehle daher allen Eltern, dass sie halt mitmachen mit ihren Kindern, dass also Erwachsene zusammen mit Kindern das machen. Es gibt auch immer noch wunderbare Steinbrüche, in denen man klopfen darf. Das wird aber leider immer weniger. Und man sollte auch schauen, dass man nichts kaputt macht dabei. Manchmal befindet man sich beim Wühlen ja auch auf fremden Grundstücken und bekommt alleine schon deshalb Ärger. Es ist also nicht ganz so einfach. Aber toll ist es schon.
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Norten:
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Im Steinbruch kann man Ammoniten und andere Ablagerungen finden. So etwas würde man wahrscheinlich noch ein bisschen eher erkennen. Sie haben uns da in dieser Richtung ebenfalls etwas mitgebracht, und zwar einen Faustkeil, den Sie auch ausstellen und von dem ich, wie ich ehrlicherweise zugeben muss, nicht so genau weiß, wofür er benutzt worden ist.
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Bredow:
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Das ist eine sehr interessante Sache, dieser so genannte Faustkeil. In der Schule hat man uns beigebracht, das sei irgend so ein Schlagwerkzeug gewesen. Ich habe das nie geglaubt.
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Norten:
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Warum nicht?
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Bredow:
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Sie sind einfach rundum scharfkantig. Wenn man so einen Faustkeil in die Hand nimmt und zuschlagen würde, dann würde man sich an dessen scharfen Seiten, die man mit der Hand umfasst, definitiv schneiden. So ein Faustkeil ist also wirklich rundum an seiner Kante beschlagen und hat lauter tangentiale Abschläge. Da wundert man sich natürlich schon, warum es von diesen Faustkeilen wirklich Hunderttausende gibt: in der Sahara, in Libyen usw. Man findet sie wirklich überall, auch bei uns. Der Homo erectus hat damit angefangen: über Hunderttausende von Jahren ist der Faustkeil fast unverändert geblieben und hat erst viel später eher aerodynamische Formen angenommen. Es muss also schon etwas mehr dahinter stecken, als dass das nur ein Werkzeug gewesen sein soll. Man hat z. B. die Kanten untersucht und dabei festgestellt, dass es unter zig Tausenden von untersuchten Faustkeilen kaum Gebrauchsspuren gibt an den Rändern. Eigentlich ist das Prinzip rund um diesen Faustkeil ganz einfach. Man versteht es jedoch erst dann wirklich, wenn man sich mit diesen Dingern näher beschäftigt: wenn man also versucht, sie nachzuklopfen. Beim Nachklopfen ist es dann aber wiederum wichtig, dass man die geeigneten Mittel dazu hat, nämlich diejenigen, die es damals auch gegeben hat. Man kann also heutzutage nicht irgendeinen Hirsch von der Wildfütterung nehmen, denn dessen Knochen klingen wie Pappe. Er wird die Frequenz, die richtigen Schwingungen nicht haben, sodass man damit keinen solchen Faustkeil herstellen könnte. Man braucht also die richtigen Frequenzen, um da etwas herunterbrechen zu können.
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Norten:
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Man braucht ja zunächst einmal sicherlich die nötige Härte, um das überhaupt behauen zu können.
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Bredow:
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Die Härte ist gar nicht wichtig. Ich brauche die geeignete Elastizität. Man nimmt nämlich so einen Knochen und schlägt damit hier an den Rand dieses Faustkeils. Dieser Schlag kommt also hier an der Oberfläche des Steins an, der Knochenschlägel vibriert, d. h. er pulsiert und "füttert" dabei den Stein mit aufeinanderfolgenden Frequenzen. Das Echo läuft über die Oberfläche, wird reflektiert und kommt wieder zurück. Wenn genau in demselben Moment, wenn das Echo wieder zurückkommt, ein erneuter Impuls hereinkommt, dann wird dieser Impuls zur Oberfläche verstärkt, und zwar immer mehr und mehr, bis ein Ereignishorizont der "gestressten" Moleküle stattfindet und sich eine hauchdünne Klinge abhebt. Wenn man aber hauchdünne Klingen produzieren kann, dann ist man als Mann der Hit – in der Steinzeit! Warum? Weil die Rentiere weiterziehen, weil die Mammuts weiterziehen usw. Als Mensch muss man dann das erlegte Wild ewig weit schleppen. Als Mann schleppt man das jedoch nicht, das schleppen die Frauen. Also werden die Frauen natürlich einem Mann dankbar sein, wenn sie nicht mehr 30 Kilo, sondern nur noch zwei Kilo schleppen müssen, weil man mit dieser Klinge das erlegte Tier zerteilen kann. Aber wie machte man sich damals als ein Mann erkennbar, der diese Fähigkeit besitzt? Wie konnte man diese seine Fähigkeit, hauchdünne Klingen zu produzieren, vermitteln, wenn einen eine fremde Gruppe noch nicht kennt? Wenn es noch keine Sprache gibt, in der man lügen oder schwindeln könnte, in der man behaupten könnte, man wäre ein super cooler Typ? Der selbst hergestellte Faustkeil nun ist ein Objekt, dass genau das kennzeichnet bzw. korrekt zum Ausdruck bringt.
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Norten:
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Sie meinen also, dass der Faustkeil symbolisiert, dass ein Mann fähig ist, handwerklich gut arbeiten zu können.
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Bredow:
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Ja. Und das schließt die Lüge aus. Denn wenn ich als ein völlig Unbekannter an Ihr Lagerfeuer kommen würde, dann ist es klar, dass Sie und Ihre Gruppe einen “Parasiten” nicht brauchen können: Sie brauchen jemanden, der die Gruppe stärken kann. Wenn jemand dünne Klingen klopfen kann, wenn er tolle Werkzeuge bauen kann, dann stärkt er damit die Gruppe.
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Norten:
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Aber Sie haben gerade gesagt, der Faustkeil sei gar kein Werkzeug. Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
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Bredow:
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Nein, weil das, weil dieser Keil immer das Kernstück ist. Wenn ich mal wieder eine neue Klinge brauche, dann klopfe ich mir wieder eine dünne, scharfe Klinge runter. Das, dieser Faustkeil hier, ist das Stück, das ich immer mit dabei habe. Ich behalte es auch immer in einer aerodynamischen Form. Hier auf diesem Stück Faustkeil liegen quasi die Klingen drauf: Man muss sie nur noch herunterbrechen von diesem Faustkeil.
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Norten:
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Ah ja, das sind sozusagen die Reserveklingen.
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Bredow:
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Genau, und diese spezifische Form des Faustkeils entsteht automatisch. Selbst damals in Afrika, wenn man sich von seinem Clan getrennt hat und nur einen ganz normalen Pick dabei hat, der noch einen runden Griff hat. Man hat keinerlei weiteres Material mit dabei, man hat nur diesen Pick zur Verfügung. Wenn man dann z. B. eine Antilope erjagt hat und sie dann zerlegen möchte, dann muss man diesen Pick quasi anbaggern. Also schlägt man etwas herunter von ihm. Und so entsteht automatisch die Form des Faustkeils, weil man durch dessen tangentiale Form, durch dessen linsenförmige Gestalt unter die Oberfläche kommt und durch einen richtigen Schlag im richtigen Winkel diese dünnen Klingen produzieren kann. Das ist der Mittler der Protosprache! Und die Frequenzen, die dabei entstehen, ebenso.
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Norten:
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Das ist sozusagen der "Messer-Macher".
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Bredow:
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Ja. Verstehen Sie? Damit wird dieses Ding erst sinnvoll. Und es entsteht automatisch in dieser Form. Das heißt, wenn man sich in der Natur aufhält und wenn man anfängt, Steine zu klopfen, dann wird man über kurz oder lang, und je besser man wird, zu diesen Formen kommen. Das ist mir passiert und das ist Hunderten von Kollegen auf der ganzen Welt ebenso passiert.
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Norten:
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Sie produzieren also auch heute noch solche Keile.
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Bredow:
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Ja, ich mache das, ich führe vor, wie das geht. Und ich gehöre zu den wenigen, die das auch sehr gut können. Heute kann ich z. B., wenn ich in einer Ausstellung in Tucson bin, einen Kollegen nur anhand der stilkritischen Merkmale an der Oberfläche eines von ihm produzierten Faustkeils erkennen. Ich habe z. B. in Arizona eine Speerspitze, die Herr Harm Paulsen hergestellt hat, sofort erkannt. Ich habe sie nur aus dem Augenwinkel heraus gesehen und sofort gesagt: "Ach, wo habt Ihr denn diese Spitze vom Harm her?"
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Norten:
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Haben Sie diese Faustkeile, die Sie uns mitgebracht haben, selbst gemacht?
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Bredow:
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Dieser hier, das bin ich! Wenn ich Ihnen das jetzt als Geschenk geben würde, dann müssten Sie als Zeichen der Dankbarkeit die Handfläche offen nach vorne oben zeigen, denn das würde wiederum bedeuten: "Nimm Platz, klopf mal auf deinem Faustkeil!" Wenn ich das mache, dann kann ich zeigen, dass ich wirklich identisch bin mit diesem Faustkeil. Und so habe ich auch die Lüge ausgeklammert: Ich bin es wirklich! So ein Faustkeil ist also meine Visitenkarte! Diesen Faustkeil hier hat ein Kollege von mir gemacht, neulich vor 250000 Jahren in der Steinzeit. Er hat eine andere stilkritische Oberfläche, denn er benutzte ein anderes Material, einen anderen Stein mit einer etwas goldbraunen Farbe. Er war wohl ein bisschen eitel, der Gute.
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Norten:
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Was ist das für ein Material?
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Bredow:
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Das ist ein Quarzit. Er hat aber diesen Quarzit mit Schlägeln bearbeitet, die von der Frequenz her eigentlich für Feuerstein gedacht waren.
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Norten:
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Woher wissen Sie das?
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Bredow:
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Das sehe ich an den Treppenbrüchen, die er dabei hier auf dem Faustkeil produziert hat. Er wollte nämlich einen schönen bunten Faustkeil herstellen, hatte aber ursprünglich sein Werkzeug auf den in dieser Gegend sehr häufig vorkommenden Feuerstein ausgelegt. Der Feuerstein ist natürlich die bessere, schärfere Sache, aber er ist einfach nicht so schön wie der hier. Also hat er sich wohl gedacht, mal ein ganz besonders tolles Statussymbol zu machen, nämlich diesen Faustkeil aus Quarzit. Und ich erkenne an diesem Keil auch, dass das damals in einer warmzeitlichen Periode gewesen sein muss. Denn der Winkel zur Mitte hin ist recht steil, sodass die Klingen, die daraus hervorgehen, recht kurz sind. Dieser Faustkeil ist also nicht so Diskus-flach wie die anderen. Das heißt, was an Abschlägen hier herunter käme, sind etwas kürzere, kleinere Stücke bzw. Klingen. Er hat also keine großen Tiere zerlegen müssen.
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Norten:
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So, jetzt habe ich gelernt, dass so ein Faustkeil nicht selbst die Waffe ist, sondern dass man aus ihm nur die Klingen machen kann. Aber Sie haben hier noch etwas liegen, das Sie ebenfalls in Ihrem Mammutheum ausstellen. Das ist ein Bogen und Sie haben auch Pfeile mitgebracht. Vielleicht können wir uns die auch mal ansehen. Das ist aber nun wirklich eine Waffe oder muss ich mich da ebenfalls eines Besseren belehren lassen?
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Bredow:
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Nein, natürlich sind Pfeil und Bogen eine Waffe. Das ist sogar eine sehr tolle Erfindung und auch eine sehr technokratische Erfindung. Es ist nämlich recht schwierig, einen Bogen herzustellen. In der Eiszeit gibt es zwar Nachweise von Bögen, die zwischenzeitlich bis über 30000 Jahre zurückgehen. Aber gute Pfeile zu produzieren, das war in dieser Zeit noch das große Problem. Ich habe hier mal aus einer späteren Epoche ein paar Pfeile mitgebracht. Hier sieht man einen ganz modernen, einen so genannten Broadhead: Mit so etwas gemeinem wird heute geschossen. Hier an der Spitze sind umfunktionierte Rasierklingen und der Schaft ist aus Aluminium von höchster Präzision.
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Norten:
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Der sieht auch wirklich gefährlich aus.
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Bredow:
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Er ist wirklich ein furchtbares Ding und es sieht auch gefährlich aus. Aber glauben Sie mir, die steinzeitlichen Jagdpfeile sind genauso gut.
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Norten:
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Aber mit so einem Pfeil könnte man doch jemanden töten, oder?
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Bredow:
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Jemanden? Damit können Sie sogar einem Nashorn den Tag verderben! Hier haben wir die steinzeitlichen Pfeile.
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Norten:
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Das sind sicherlich Nachbauten.
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Bredow:
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Da ist eine Originalspitze drauf. Der Schaft ist neu, er ist aus dem Holz des Schneeballs. Hier der obere Pfeil hat eine neolithische Pfeilspitze.
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Norten:
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Das ist dieser Rote, ganz oben.
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Bredow:
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Ja, dieser Rötliche. Hier haben wir eine indianische Form aus Obsidian. Sie ist gekehlt und mit Kreuzbindung und Harz befestigt. Und hier haben wir eine neolithische europäische Spitze aus Flint, also aus Feuerstein.
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Norten:
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Man erkennt, dass diese Spitze eine Ähnlichkeit hat mit dem Faustkeil, von dem wir vorhin gesprochen haben.
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Bredow:
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Diese hier war eine Obsidianspitze, die durch einen Hirsch gesaust ist.
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Norten:
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Aha, die ist also schon benutzt worden.
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Bredow:
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Ja, so sieht sie dann hinterher aus. Die Obsidianspitzen sind nämlich nicht besonders schlagfest: Die Spitze ist an zwei Rippen angestossen und dann auf der anderen Seite wieder herausgekommen.
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Norten:
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Haben Sie die selbst gefunden?
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Bredow:
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Nein, die habe ich selbst gemacht und den Hirsch damit erlegt.
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Norten:
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Ach so, Ihre Experimente gehen so weit, dass Sie diese Pfeile auch dafür benutzen, Tiere zu jagen.
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Bredow:
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Ich habe das in Neuseeland oft gemacht, wenn ich Wapitis gejagt habe. Ich habe damals wirklich sehr viele Wapitis mit Pfeil und Bogen "perforieren" müssen: Dort ist das nämlich Pflicht. Ansonsten macht das der Forestry Service und dann kostet das Geld. Diese Dinger gehen also durch das Tier durch und fliegen dann z. T. sogar weiter.
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Norten:
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Aber das Tier überlebt so einen Pfeil natürlich nicht.
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Bredow:
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Wenn das nicht funktionieren würde, dann wären wir alle verhungert und wir würden heute nicht hier sitzen.
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Norten:
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Das stimmt. Die Spitze eines Pfeils ist ja nur das eine, das Ende des Pfeils ist das andere. Hier finden sich aber überall die gleichen Federn.
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Bredow:
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Nein, da gibt es durchaus wichtige Unterschiede.
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Norten:
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Aha, dann müssen Sie mir das erklären.
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Bredow:
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Es stimmt, das sind alles Truthahnfedern. Aber Sie sehen, dass dieser Pfeil hier pfeift, wenn er fliegt. Denn er hat keinen aerodynamischen Anfang bei seinen Federn. Die Federn sind also nicht schräg angeschnitten und genau deswegen wird er pfeifen, wenn er fliegt. Dieser Pfeil hier pfeift hingegen nicht mehr, ist also leiser, weil hier die ersten Federn quasi abgerundet sind und die gesamten Federn damit eine aerodynamische Form erhalten. Bei diesem Pfeil ist es so, dass diese kleinen Fransen, die hier am Beginn der Federn so etwas unmotiviert abstehen, die Luftwirbel brechen, die beim Fliegen entstehen. Wenn man so einen Jagdpfeil näher ansieht, dann sieht man immer diese kleinen Fransen hier. Man kann allerdings auch völlig lautlose Pfeile produzieren, indem man Uhufedern nimmt, denn die brechen auf der gesamten Oberfläche die Luftwirbel: So einen Pfeil hört man überhaupt nicht mehr. Die anderen hier ohne diese Fransen klingen wie in einem Robin-Hood-Film aus Hollywood.
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Norten:
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Sie haben aber auch einen Bogen mitgebracht, mit dem man solche Pfeile abschießen kann.
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Bredow:
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Das ist hier einer von vielen Bögen, die ich schon gemacht habe. Ich habe heute nicht mehr so viele Bögen, die ich selbst gebaut habe.
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Norten:
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Der ist also auch von Ihnen selbst gebaut.
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Bredow:
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Ja, 350 Bögen habe ich noch, der Rest ist in alle Welt verstreut. Dieser Bogen hier ist so ein typisch mesolithisch-neolithisches Modell. Er ist mehr oder weniger rund und hat auch einen runden Griff hier in der Mitte. Er ist aus Hartriegel gemacht: Hartriegel ist ein phantastisches Bogenholz, das Problem ist nur, dass man diesen Strauch nicht oft in dieser Stärke findet. Man muss aber auch die Äste und überhaupt die Physik in diesem Holz sehr gut kennen, um daraus einen guten Bogen machen zu können. Das ist nicht so einfach. Es gehört schon was dazu, einen guten Bogen zu bauen, dass kann man nicht einfach so. Dafür braucht man Jahre an Erfahrung. Dieser Bogen hier hat bei einem Geschoss von ungefähr 50 Gramm eine Geschossgeschwindigkeit von circa 69 Metern in der Sekunde.
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Norten:
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Könnten Sie denn einen dieser Pfeile mit diesem Bogen hier abschießen - natürlich nicht hier im Studio?
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Bredow:
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Ja, ja, schon klar. Ich meine, ich könnte das sofort: Wenn Sie mir da hinten ein Ziel hinstellen, dann könnte ich das ohne Weiteres abschießen.
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Norten:
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Vielleicht ist es doch etwas ungefährlicher, wenn Sie uns einfach nur zeigen, wie man es machen würde, wenn man schießt. Und dann bitte nicht loslassen.
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Bredow:
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Das mache ich selbstverständlich nicht, keine Sorge.
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Norten:
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Damit unsere Kameraleute überleben.
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Bredow:
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Der arme Kameramann, der ist doch so nett, das würde ich doch nie tun. Sehen Sie, das ist die so genannte Mittelmeer-Haltung: Es greifen drei Finger innen an der Saite und ziehen bzw. spannen, wobei der Pfeil zwischen Zeige- und Mittelfinger fixiert wird. Und dann würde man schießen.
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Norten:
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Oh.
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Bredow:
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Dieser Bogen hat eine Spannkraft von 80 Pounds. Das ist dann natürlich auch kein Spaß mehr. Es ist schwierig, noch genau zu schießen, wenn ein Bogen über 60 Pounds hat. Dafür braucht man sehr viel Training. Eigentlich wird so ein Bogen nur aus der fließenden Bewegung heraus geschossen. Das heißt, man zielt da nicht mehr herum oder so. Karl Valentin hat das mal in einem anderen Zusammenhang wunderschön auf den Punkt gebracht: "Das tun wir gar nicht erst ignorieren!" Wenn man das kann, dann trifft man auch. Wenn man hingegen irgendwelche Sachen im Kopf hat oder nur noch den Gedanken, dass man nun unbedingt treffen muss, dann trifft man garantiert nicht. Es wird wirklich nicht gezielt, sondern nur getroffen.
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Norten:
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Sie haben gesagt, dass Ihre Pfeile unterschiedliche Geräusche produzieren. Wenn Sie diese Pfeile abschießen würden, dann würde sich das für uns unterschiedlich anhören.
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Bredow:
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Genau, in dem einen Fall würde das pfffftt machen. Oder es würde mit diesem Pfeil nur noch fft klingen. Bei denen mit den Fransen würde man nur noch ein leises Hauchen hören. Bei der Eulenfeder würde man schlicht nichts mehr hören.
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Norten:
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Wenn ein Tier getroffen werden soll, dann ist es ja wahrscheinlich gut, wenn der Pfeil nicht zu hören ist, weil dieses Geräusch das Tier warnen und zum Weglaufen animieren könnte. Haben denn diese Geräusche auch noch andere Funktionen?
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Bredow:
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Sicherlich. Das kennen wir doch alle aus diesen Filmen mit Robin Hood aus Hollywood: Wenn man im Wald gemein klingende, heulende Pfeile auf die Feinde abschießt, dann ist der psychologische Effekt dabei natürlich schrecklich für diese Feinde. Da zischt es von da, da heult es von hier. Das ist schon toll. Es gibt aber auch Signalpfeile, die man wirklich wie eine Flöte konstruiert. Die schießt man senkrecht in die Luft und dann pfeifen die ganz, ganz laut. Das hat den Effekt, dass man den anderen zeigen kann, wo man sich gerade befindet. Diese Pfeile pfeifen wirklich so laut, wie ich auf meinen beiden Fingern niemals pfeifen könnte – obwohl ich schon sehr laut pfeifen kann. Das hat also alles auch eine akustische Bedeutung. Größer ist natürlich die akustische Bedeutung bei der Verwertung von Materie überhaupt in der Steinzeit. Das war wirklich wichtig. Wenn man überleben wollte, dann musste man die Qualität seiner Umgebung durch deren akustische Geräusche genauso wie über deren Optik oder andere Merkmale analysieren und verwerten können.
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Norten:
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Die Geräusche sind also ein Phänomen, das es gab und das auch benutzt wurde, bevor es eigentlich die menschliche Sprache gegeben hat. Kann ich das so sagen?
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Bredow:
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Sicherlich hat sich die menschliche Sprache erst entwickelt – wie alles. Man entwickelt sich über Notwendigkeiten. Die Notwendigkeit der Kommunikation ist ja schon bei Tieren gegeben. Nur, bei uns Menschen ist sie sehr komplex, weil wir eben technokratisch veranlagt sind. Das wird auch immer noch komplexer, das wissen wir heute besonders gut. Die Welt wächst zusammen und jeder Mensch kann heute sein Handy mit sich herumschleppen: Das wäre früher schon aus logistischen Gründen gar nicht möglich gewesen. Heute ist das möglich. Aber in letzter Zeit ist es so, dass gerade bei uns in unseren Gesellschaften die Vielfältigkeit der natürlichen Geräusche, der Naturgeräusche, in den Hintergrund gedrängt wurde. Wir sind aber doch ein Produkt dieser Natur und haben auch ein inneres Bedürfnis danach, solche Geräusche nachvollziehen und auch erleben zu können.
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Norten:
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Sie haben aus Ihrem Schatzkästchen noch ein paar weitere Dinge mitgebracht. Hier auf dem Tisch neben Ihnen liegen Dinge, die eben auch Geräusche erzeugen. Das sollten Sie uns doch mal demonstrieren.
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Bredow:
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Wenn ich z. B. hier mit diesem Schlägel, mit diesem Knochen, so auf den Stein schlage, dann produziere ich damit eine Klinge. Wenn ich das also gemacht habe, dann habe ich dabei ein bestimmtes Geräusch produziert. Dieses Geräusch in dieser Form hat mir den Erfolg dieser Klinge eingebracht. Das ist doch cool, da freue ich mich doch. Ich merke mir das, weil hier dieser Knochen auch richtig mit diesem Stein korrespondiert hat.
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Norten:
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Was ist das für ein Knochen?
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Bredow:
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Das ist ein Knochenschlägel: Das ist das, was ich vorhin erklärt habe mit dem Auftreffen und wie dabei das Echo unter der Oberfläche wandert usw. Das bedeutet also Folgendes: Man kann durch diese dünnen Klingen die Mobilität vergrößern. Es pflanzte sich damals eben immer nur der fort, der das gut konnte, weil er damit natürlich einen Vorteil hatte. Und daher kommt eben auch die Affinität zur Musik im Menschen! Diese Affinität zur Musik hat uns wiederum dabei geholfen, uns besser artikulieren zu können. Es gibt ja z. B. auch die Musik der Stimme. Ich kann Ihnen den gleichen Satz mit einer traurigen Stimme oder mit einer sehr heiteren Stimme sagen: Der gleiche Satz bedeutet dabei jedes Mal etwas ganz anderes. Das kennen wir natürlich alle. Aber das Ganze geht noch viel weiter. Das geht so weit, dass man durch Anklopfen an einer Wassermelone erkennen kann, ob sie reif ist oder nicht.
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Norten:
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Wir können das heute wahrscheinlich weniger gut, aber früher war es wichtig, das zu können.
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Bredow:
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Das war sehr wichtig und es wäre schön, wenn wir das heute noch könnten, denn dann würden sich diejenigen, die uns das Obst verkaufen, hinsichtlich der Qualität dieses Obstes ein bisschen mehr anstrengen. Das ist also durchaus nützliche Dinge, die für uns durchaus wichtig sind. Wir können das einfach nicht innerhalb von 100 oder 200 Jahren mittels der Technokratie und Industrie alles von uns weisen. Da sind in uns Bedürfnisse vorhanden, die dadurch in den Hintergrund gedrängt werden: Das aber tut uns psychisch nicht gut. Das heißt, wir sollten uns mehr um solche Dinge kümmern.
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Norten:
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Und genau das machen Sie ja auch in Ihrem Mammutheum. Sie forschen ja auch selbst und beschäftigen sich mit Frequenzen und mit solchen Geräuschen, wie Sie sie gerade erzeugt haben. Sie gehen jedoch noch einen Schritt weiter, denn Sie gehen auch in den Bereich der Musik hinein. Dass wir hier zwischen den Mammutknochen und Faustkeilen eine Geige liegen haben, hat ja auch einen bestimmten Grund.
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Bredow:
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Die Wahl dieses Weges war für mich ja nicht schwer. Ich habe schon in frühen Jahren viel geklimpert und Musik gemacht. Später in Neuseeland habe ich mir damit sogar mein Studium verdient. Ich fand es im Laufe der Zeit jedenfalls interessant, warum es heute doch so relativ wenige gute Geigenbauer gibt. Es gibt durchaus gute Geigenbauer, aber es gibt nur sehr wenige davon. Ich habe mir also überlegt, welches Instrument eigentlich diese ganzen Frequenzen auf den Punkt bringt. Man kann mit einer Geige flöten, aber nicht mit einer Flöte geigen! Die Geige ist ein Produkt, das aus Holz besteht, aus Hautleim, also aus Gummibärchen ohne Zucker, mit dem das Holz zusammengeklebt wird, der Bogen ist mit Pferdehaaren bestückt. Das sind also im Prinzip alles Naturstoffe, die es auch in der Steinzeit schon gegeben hat. Diese Naturstoffe sind z. B. genauso in diesem Jagdbogen enthalten wie bei den Speerspitzen und den Knochenpfriemeleien des Neandertalers.
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Norten:
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Die Geige, die hier liegt, haben Sie selbst gebaut. Und dazu haben Sie auch genau diese Materialien verwendet. Könnten Sie sie uns kurz mal zeigen, sie im Ton anschlagen und uns erklären, was es mit dieser Geige auf sich hat?
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Bredow:
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Ich mache ja immer alles anders als meine lieben Vorgänger. Ich habe für diese Geige z. B. auch andere Materialien verwendet. Für diese Geige habe ich beim Korpus z. B. solches Bogenholz verwendet. Dieses Bogenholz ist, wie seit Jahrhunderten bekannt, Eibenholz. In England durfte z. B. unter Heinrich IV. kein Schiff landen, das nicht mindestens drei solcher Bogenstäbe aus Eiben an Bord hatte. Warum? Weil Heinrich mit diesen Bögen seine Armee ausgerüstet hat. Darüber hinaus habe ich hier an der Vorderseite noch die Haselfichte, die ebenfalls notwendig ist, um so ein Instrument bauen zu können. Und dann muss man eben auch das Gehör dafür haben, dieses Teil intonieren zu können. Und da hakt es halt bei den allermeisten Menschen aus. Hier habe ich insofern einen großen Vorteil, weil ich in der Natur aufgewachsen bin und sämtliche Geräusche und Frequenzen sehr gut materiell-handwerklich umsetzen kann. Das ist ein Phänomen, das ich in mir drin gefunden haben, das mir bis dato so offensichtlich nicht bewusst gewesen ist.
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Norten:
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Hat denn diese Geige, die Sie gebaut haben, auch einen besonderen Bezug zur Vergangenheit? Oder ist das nur Ihr Wissen, dass Sie da praktisch eingesetzt haben?
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Bredow:
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Ich sehe das schon als Resultat meiner Arbeit in den letzten 15 Jahren überhaupt. Ich spiele mit Kindern, ich klopfe Steine, werde immer besser dabei, beschäftige mich wieder mit Musik und komme dann irgendwie bei diesem Instrument an. Ich habe da an diesem Instrument natürlich all das verwendet, was mir zur Verfügung steht: An dieser Geige finden sich Mammutelfenbeinwirbel, Büffelhorneinlagen und hier sogar ein Mammutsaitenhalter. Es ist also alles dran, was das Herz begehrt.
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Norten:
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So eine Geige gibt es wahrscheinlich nur einmal auf der Welt.
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Bredow:
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Ja, die ist absolut cool. Das ist schon ein tolles Stück.
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Norten:
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Die Saiten sind normal.
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Bredow:
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Das sind Normalsaiten. Ich könnte natürlich auch Darmsaiten verwenden. Aber gute Darmsaiten sind heutzutage extrem schwierig zu bekommen. Pirastro macht, glaube ich, noch welche. Es gäbe sie also noch.
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Norten:
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Die Geige spielt ja auch bzw. man kann sie spielen.
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Bredow:
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Natürlich.
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Norten:
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Ist denn der Bogen auch von Ihnen hergestellt?
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Bredow:
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Nein, denn das Bogenbauen ist ja wieder eine Wissenschaft für sich. Geben Sie mir zwei Jahre Zeit, dann baue ich vielleicht sogar noch den Bogen selbst. (Bernard von Bredow spielt auf dieser selbst gebauten Geige.)
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Norten:
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Sie hört sich toll an. Ich bin selbst keine Geigenspezialistin: Sind beim Klang dieses Instruments Töne mit drin, die für eine solche Geige typisch sind?
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Bredow:
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Ja, sie klingt anders. Wir haben sie auch schon über den Rechner laufen lassen und ihr Klangbild analysiert. Wir haben gerade in den letzten Wochen viele, viele Geigen auf diese Weise analysiert. Wir sind jetzt bei der Geige Nummer 86 angekommen, mit der wir das machen. Das ist eine Geige aus dem Jahr 1600: Sie ist die älteste Tiroler Geige, also noch älter als eine Stradivari oder eine Guarneri del Gesù.
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Norten:
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Sie analysieren also diese Geigen?
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Bredow:
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Wir analysieren deren komplettes Klangspektrum. Damit entdecken wir natürlich auch quasi das Individuum, das sich in dieser Geige manifestiert hat. Natürlich müssen wir dafür Instrumente hernehmen, die möglichst nicht oft “geschlachtet” worden sind, weil sie sonst ihren ursprünglichen Ton verlieren.
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Norten:
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Was heißt "geschlachtet"?
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Bredow:
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Ein Musiker dürfte bei so etwas ja nie zusehen: Die Geigenbauer schlachten nämlich solche Geigen auch schon mal. Sie nehmen ein Küchenmesser und schneiden den Deckel ab. Und dann wird innen wieder etwas geklebt und repariert. Dadurch verändern sich aber selbstverständlich die Gewichte dieser Geige und die Intonation des ursprünglichen Geigenbaukünstlers geht verloren. Wir versuchen also diese Klangbilder zu erhalten, indem wir von diesen einzelnen Geigen quasi einen elektronischen Fingerabdruck machen. Wir können diese Klangspektren dann auf dem Rechner natürlich überlagern und dabei feststellen, dass da die Obertonspitzen der einen Geige viel schöner sind und damit ein bestimmtes Charakter- bzw. Klangbild produzieren als die einer anderen. Mit so einem speziellen Klangbild löst eine Geige natürlich auch etwas aus beim Zuhörer: Es gibt Geigen, die so schön klingen, dass jeder Zuhörer Gänsehaut bekommt. Manche Geigen hingegen sind so grauenvoll, dass ihr "Klang" den Nachbarn zum Auszug aus seiner Wohnung bringt. Das ist also alles drin bei einer Geige. Es gibt sicherlich viele Millionen schlechter Geigen und ganz, ganz wenig gute. Hier ein schön klingendes Instrument produzieren zu können, ist eine der interessantesten, größten und schwierigsten handwerklichen Künste, die es überhaupt gibt.
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Norten:
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Ich muss sagen, Sie umfassen wirklich ein enormes Spektrum, nicht nur, was die Musik angeht. Wir haben unser Gespräch beim Mammut und damit weit zurück in der Vergangenheit angefangen und enden nun hier bei diesem Instrument, das Sie selbst gebaut haben. Die ganzen Aspekte, die Sie uns dabei geschildert haben, sind ungeheuer faszinierend. Gibt es noch etwas, das Sie für die Zukunft angehen möchten?
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Bredow:
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Eigentlich mache ich die ganze Zeit nichts anderes als zu Beginn. Ich mache nichts anderes als das, was z. B. mit dem Steineklopfen zusammenhängt. Ich mache das jetzt lediglich auf einer anderen Ebene. Es geht nämlich immer auch um Kommunikation. Und die höchste Form der Kommunikation, die wir besitzen, ist die Musik. Sie ist mächtiger als Politik. Und diese Art der Kommunikation, nämlich die Musik, möchte ich natürlich weiterführen. Aus diesem Grund habe ich mich auch mit Professor Wellinghoff zusammengetan. Wir versuchen jetzt aus all diesen Klangbildern neue Kompositionen zu schaffen und sie dann auch aufzuführen. Das wäre dann wirklich mal etwas anderes.
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Norten:
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Gibt es denn einen Wunsch für die Zukunft von Ihnen?
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Bredow:
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Ruhe, damit ich schreiben kann. Ich wünsche mir also jemanden, der in der Lage ist, meinen Job im Mammutheum so zu übernehmen, dass es nicht darunter leidet. Denn dann möchte ich das, was ich in den letzten Jahren an Input hatte, in schriftlicher Form wieder herauslassen. Ich habe in den letzten Jahren durchaus ein Riesenschriftwerk verfasst, aber ich muss das quasi auch rüberbringen können. Und Sie wissen, dazu braucht man Ruhe und Zeit. Und die hätte ich gerne.
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Norten:
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Das war Bernard von Bredow, er leitet das Mammutheum bei Siegsdorf in Oberbayern. Er ist Mammutforscher und er hat uns heute wirklich faszinierende Dinge erzählt. Ich hoffe, Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, hat es Spaß gemacht. Ich bedanke mich für Ihr Interesse und wünschen Ihnen noch einen schönen Tag.
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